Belgien - Brügge sehen ... und schwärmen?

28.05.2014 13:30

Die Türme von Brügge leuchten im nächtlichen Licht der orangefarbenen Scheinwerfer, weisen mir den Weg durch die verwinkelten Gassen mit ihren Holpersteinen. Gerade eben genoss ich noch den Sonnenuntergang am Strand im 20 Kilometer entfernten Oostende, mit seinen hässlichen Blockbauten direkt an der Promenade. Jetzt habe ich Hunger. Aber es ist Sonntagabend - und es ist spät. Ich habe das Auto am Bahnhof von Brügge geparkt, wo auch schon die Imbissbuden geschlossen haben. Die Grünanlage am Rand der Altstadt ist schon ziemlich verlassen und wirkt etwas unheimlich. Ich laufe einen Schritt schneller, der Weg führt vorbei an verklinkerten Herrenhäusern, an Brücken und Grachten. Am Begijnhof schließen die ersten Gaststätten, nur wenige Menschen sitzen noch draußen. Durch ein Fenster mit seinen Butzenscheiben sehe ich eine lange Biertheke, dahinter trocknet der Ober Dutzende Biergläser ab. Die blaue Stunde ist schon fast dem Zauber der Nacht gewichen.  

In Brügge, Belgien. Foto: Wolfgang Bürkle

Das Klackern der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster ist verstummt. Längst haben die Kutschpferde der "Perle Flanderns" Feierabend. In den Gassen hat der Trubel abgenommen, einige Verliebte lungern Händchen haltend auf Parkbänken, vor der Liebfrauenkirche studieren ein paar verzweifelte Hippies heftig diskutierend den Stadtplan. In den Auslagen der Geschäfte kämpfen Dutzende Biersorten in bunten Flaschen mit Hunderten Pralinen in noch bunteren Schachteln um den besten Platz in der oft trüben Beleuchtung. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen - aber die Lust nach etwas Herzhaftem treibt mich weiter.

In Brügge, Belgien. Foto: Wolfgang Bürkle

Die Schiffe in den Kanälen, die tagsüber mit Rundfahrten locken, liegen nun verwaist aber gut vertaut am Ufer. Das Wasser am Dijver liegt spiegelglatt vor mir, die zeitlosen Häuser machen darauf Kopfstand. Einige Fotografen haben sich in der Ecke positioniert, mit Stativen und mehreren Objektiven lichten sie den über allem thronenden Belfried ab. Plötzlich schwimmen ein paar Schwäne herbei, gründeln mit ihren langen Hälsen und lassen die im Wasser reflektierten Gebäude zerfasern - ein post-impressionistisches Gemälde ohne Bestand.

Am Burgplatz, wo am Nachmittag noch zum Klang eines Ziehharmonika-Festivals getanzt wurde, ist die Bühne nur noch ein dunkles Gerippe. Hier gibt es auch nichts mehr zu essen, jede Brasserie am Platz hat schon geschlossen. Der Grote Markt mit seinem über 80 Meter hohen Belfried liegt vor mir. Die meisten Touristen haben sich schon in ihre Hotels verzogen. An der Bushaltestelle hängen junge Leute herum, ich laufe an ihnen vorbei, es riecht durchdringend nach Cannabisprodukten. Mich zieht aber ein anderer Duft an: denn direkt vor dem Belfried stehen zwei kleine Buden, in denen noch Betrieb unter den grellen Leuchtstoffröhren herrscht. Am Nachmittag war die Schlange davor lang, jetzt hat sie sich in Luft aufgelöst. 

In Brügge, Belgien. Foto: Wolfgang Bürkle

Der Chef sitzt darin, klackert demotiviert auf seinem Handy herum. Ich blicke auf die Fotos der Gerichte, deren belgische Bezeichnung mir nur bedingt über die Lippen kommt - entscheide mich dann für eine Portion Pommes mit Gulasch oben drauf, ein Bier bitte noch, danke. Es dauert ein paar Minuten, kein Problem. Zwischendurch kommen noch weitere Nachtschwärmer an die Bude, verlangen Pommes und frittierte Fleischspieße. Dann steht die dampfende Styroporschale vor mir, ein Haufen Zeugs, aber ich hab ja auch viel Hunger. Mit dem Essen in der einen und der Dose in der anderen Hand setze ich mich auf eine Bank, ein paar Meter entfernt. Um mich herum leuchten die bunten Reklamen der Cafés und Fritterien in den mittelalterlichen Häusern. Mit jedem Bissen genieße ich die Atmosphäre. Und der gewaltige Belfried mit seinen Flaggen und verzierten Türmchen thront über allem.   

In Brügge, Belgien. Foto: Wolfgang Bürkle

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